Einfluss solarer Variabilität auf die mittlere Atmosphäre

In diesem Arbeitsgebiet untersuchen wir vor allem den Einfluss energiereicher geladener Teilchen auf die Erdatmosphäre. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Protonen und Elektronen, wobei auch schwerere Ionen bis hin zum Eisen vereinzelt vorkommen. Die primären geladenen Teilchen entstehen nicht in der Atmosphäre selbst, sondern stammen zum Teil sogar von außerhalb unserer Galaxie. Die wichtigsten Quellen sind aber bestimmte Bereiche des Erdmagnetfeldes (Strahlungsgürtel, 1.000 – 25.000 km) und unsere Sonne.

Die Sonne ist ein heißer rotierender Ball aus Plasma, von dem ein kontinuierlicher Strom aus geladenen Teilchen ausgeht, der sogenannte Sonnenwind. Nach einigen Stunden bis Tagen treffen diese geladenen Teilchen dann auf das Erdmagnetfeld, welches den größten Teil um die Erde herumleitet und nur einen geringen Anteil in den Strahlungsgürteln speichert. In den Polargebieten steht das Erdmagnetfeld nahezu senkrecht zur Oberfläche, was den Teilchen ein direktes Eindringen in die Erdatmosphäre ermöglicht. Dort entstehen dadurch unter anderem die bekannten Polarlichter. Ein weiterer, indirekter, Mechanismus basiert auf der Kompression des Erdmagnetfeldes durch Schwankungen im Sonnenwind.  Die damit einhergehenden Störungen im Erdmagnetfeld führen dazu, dass die zuvor in den Strahlungsgürteln gespeicherten Teilchen zum Teil in Richtung Erdoberfläche beschleunigt werden und diese dann entlang des Erdmagnetfeldes in den Polregionen ebenfalls in die Atmosphäre eindringen können.

Auf ihrem Weg durch die Atmosphäre verlieren die Teilchen durch Kollisionen ihre Energie. Unter normalen bzw. ruhigen solaren Bedingungen lösen sie dadurch oberhalb von 60 km Höhe eine Kette von komplexen chemischen Reaktionen aus. Dabei kommt es unter anderem zur Bildung von hochreaktiven Wasserstoff- (HOx = H+OH+HO2) und Stickstoffverbindungen (NOx = N+NO+NO2). Trotz der geringen Konzentrationen von HOx und NOx tragen beide sehr effektiv zum Abbau von Ozon (O3) bei. Hinzu kommt, dass NOx zumindest in der Nacht eine sehr lange Lebensdauer aufweist. In der mehrere Monate andauernden Polarnacht kann es daher mit dem Wind von seinem eigentlichen Ursprungsort bis hinunter in Höhen von 20-30 km transportiert werden. Dabei verursacht es vor allem unterhalb von 50 km einen relevanten Ozonabbau. Der gesamte Vorgang der teilcheninduzierten NOx-Bildung, dessen anschließender Abwärtstransport und der damit einhergehende Ozonverlust wird als indirekter Teilcheneinfluss bezeichnet.

Dieser indirekte Teilcheneinfluss beruht auf dem kontinuierlichen Einfall von Teilchen, welcher immer stattfindet und von der  Sonnenaktivität moduliert wird. Vor allem bei einer verstärkten Sonnenaktivität kommt es darüber hinaus vermehrt zum Auftreten von Koronalen Massenauswürfen (coronal mass ejections CME, siehe Bild). Dabei werden gewaltige Plasmawolken in Richtung Erde geschleudert und der Sonnenwind wird auf das 2-3-fache seiner Durchschnittsgeschwindigkeit beschleunigt. Den enthaltenen Teilchen (hauptsächlich Protonen) wird es dadurch ermöglicht tief in die Erdatmosphäre (≈40 km) einzudringen und dort direkte chemische Veränderungen hervorzurufen. Insbesondere können während dieser sogenannten solaren Protonenereignisse Ozonverluste von bis zu 90% in der unteren Mesosphäre (50-70 km) auftreten. Solare Protonenereignisse treten sporadisch im solaren Maximum auf, mit einer Frequenz von etwa 2-3 großen Ereignissen pro Maximum, und sind nicht vorhersagbar.

Anhand von Satellitendaten (SCIAMACHY, MIPAS) analysieren wir die Prozesse in der Mesosphäre und unteren Thermosphäre, welche in direktem Zusammenhang mit den solaren Einflussfaktoren stehen. Mit prozessorientierten Modellen wie dem eindimensionalen Ionenchemiemodell ExoTIC überprüfen wir unser Verständnis und die Relevanz der einzelnen Prozesse. Mit globalen 3-dimensionalen Chemie-Klimamodellen wie EMAC oder ICON werden globale und langfristige Folgen von solaren Ereignissen auf die gesamte Atmosphäre untersucht.